Unsere Jeanne-Baret-Stipendiatinnen Im Folgenden stellt sich Dr. Hailian Chen, Stipendiatin ab November 2024, vor: Mein Name ist CHEN Hailian, was auf Chinesisch wörtlich übersetzt „verbundenes Meer“ oder „Meer in Verbindung“ bedeutet. Ich komme aus Nordchina und lebe seit über 10 Jahren mit einer jungen Familie in Trier. Zunächst habe ich Bauingenieurwesen an der Universität Tsinghua in Peking studiert. Dann habe ich mich für mein Masterstudium im Bereich der Wissenschafts- und Technikgeschichte an der Universität Tsinghua zugewandt. Ich habe meine Doktorarbeit in Sinologie an der Universität Tübingen abgeschlossen, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wurde. Ich bezeichne mich selbst als „Zinkfrau“ und habe mich ein Jahrzehnt lang mit der Geschichte des chinesischen Zinks beschäftigt, einem Metall, aus dem Münzen und Messing hergestellt wurden und das in der Frühen Neuzeit ein globales Handelsgut war. Das wichtigste Forschungsergebnis ist meine erste 788-seitige Monografie „Zinc for Coin and Brass: Bureaucrats, Merchants, Artisans, and Mining Laborers in Qing China, ca. 1680s–1830s“ (erschienen 2018 bei Brill). In den letzten vier Jahren habe ich mein zweites großes Forschungsprojekt an der Universität Leipzig geleitet. Dieses Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert. Es untersuchte die Geschichte der technischen Ausbildung im China des späten 19. Jahrhunderts, mit besonderem Schwerpunkt auf der konzeptionellen und institutionellen Geschichte von Technik/Kunst und auf der Geschichte der Ausbildung im Bergbauingenieurwesen. Da ich vor 2019 mehrere Jahre lang im Fachbereich Sinologie an der Universität Trier verschiedene Kurse zum modernen China unterrichtet habe, habe ich gerne in Trier gearbeitet und gelebt und immer davon geträumt, irgendwann wieder an die Universität Trier zurückzukehren. Dieses Jahr war für mich eine Übergangszeit, in der ich ein neues Projekt entwickeln konnte, insbesondere um mein zweites Buch über die Geschichte der Ressourcen und des Seehandels für die Industrialisierung Chinas zu planen. Ich interessiere mich für die Geschichte von Waren wie Kohle und Maschinen, die aus dem Westen (einschließlich Deutschland) in Chinas Häfen ankamen. Nach einer langen „Reise“ zum Studium und Arbeiten an deutschen Universitäten habe ich mich sehr über diese Finanzierungsmöglichkeit durch das Jeanne-Baret-Stipendium für Wissenschaftlerinnen am TRANSMARE-Institut der Universität Trier gefreut. Bei TRANSMARE lerne ich von Kolleginnen und Kollegen aus einem breiten Spektrum von Disziplinen. Es war eine wirklich inspirierende „Navigation“ für mich, um meine Forschungsideen neu auszurichten und zu überdenken und meine Perspektiven zu erweitern. Während meines Stipendienaufenthalts bei TRANSMARE arbeite ich an einem neuen Projekt zum Thema „shipping intelligence, media, and commodity“ im industriellen Wandel Chinas im späten neunzehnten Jahrhundert. Als von einer Ingenieurin zur Sinologin gewordene Wissenschaftlerin steht das interdisziplinäre Denken im Mittelpunkt meiner eigenen Forschung. Mein Forschungsweg zeigt viele Möglichkeiten der Kombination von Fächern in den Bereichen Ingenieurwesen, Sinologie und Geschichte auf, um eine wissenschaftliche Karriere in der Akademie zu entwickeln. Ich hoffe, dass dies auch Studierende im Allgemeinen und junge Wissenschaftlerinnen im Besonderen dazu ermutigen kann, ihr Potenzial in der Forschung zu entfalten. Im Folgenden beantwortet Dr. Carolin Böttcher, Stipendiatin ab Oktober 2024, ausgewählte Fragen unseres Koordinationsteams: Stellen Sie sich bitte kurz vor und nennen Sie Ihren akademischen Hintergrund. Nach meinem Studium der Anglistik und Romanistik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel habe ich 2020 meine Promotion in englischer Literaturwissenschaft an der University of California San Diego abgeschlossen. In meiner Dissertation untersuche ich die wechselseitigen Beziehungen zwischen Literatur und Naturwissenschaft in den Werken verschiedener Autorinnen der Aufklärung und Romantik. Nach meiner Rückkehr aus den USA war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrkraft für besondere Aufgaben in München und Jena tätig bevor ich das Jeanne-Baret-Stipendium am TRANSMARE Institut erhalten habe. Was ist das Hauptthema Ihres aktuellen Forschungsprojekts? Mein aktuelles Forschungsprojekt untersucht die Rolle der Küste als literarische Umgebung in irischer und nordirischer Literatur des 20. Und 21. Jahrhunderts. Insbesondere sehe ich die Küste als einen produktiven Analyseansatz, da Autor*innen die Spannungen zwischen eingeschränkter Mobilität (entweder selbst auferlegt oder sozial geprägt) und den immensen Möglichkeiten zur persönlichen und gesellschaftlichen Entfaltung durch die geographische Lage ausarbeiten. Was fasziniert Sie in diesem Bereich zu forschen? Mich fasziniert vor allem, wie das Zusammenspiel von Land und Meer in der konstanten Wandelbarkeit und auch Unbeständigkeit der Küste in der Literatur Irlands widergespiegelt wird. Irland wird häufig darauf reduziert, die grüne Insel zu sein, wobei der Aspekt der Insel selbst der unwichtigere zu sein scheint. Die Küste und das Meer sind jedoch historisch prägende und einflussreiche Gebiete, die noch tiefergehend als Topos und als metaphorische Darstellungen gesellschaftlicher Themen untersucht werden können und müssen. Daneben ist Ecocriticism im Kontext irischer und nordirischer Literatur noch ein relativ junges Feld und die Möglichkeit, zur Ausweitung beizutragen, scheint mir besonders bereichernd und lohnenswert. Welche bisherigen Erfolge oder Erkenntnisse in Ihrer Forschung sind Sie besonders stolz? Mein aktuelles Forschungsprojekt macht mich in dem Sinne stolz, dass ich eine sehr persönliche Verbindung zur Natur in den Vordergrund meiner Forschung stellen kann. Der Kontext der irischen und nordirischen Literatur erlaubt mir dabei eine kritische Distanz, die meine eigenen Erfahrungen bereichern. Daneben bin ich natürlich auch besonders stolz, dass einer meiner Artikel, der auf meiner Dissertation basiert, 2024 mit dem Preis für den besten Artikel des Jahres 2023 in European Romantic Review ausgezeichnet wurde. Was motiviert Sie zu forschen und was sind die größten Herausforderungen? Mich motiviert der Drang zu verstehen, wie Erzählkunst und Sprache sowohl unser Selbstverständnis prägen als auch eine Reflektion desselben sind. Täglich erzählen Menschen Geschichten und beschreiben ihre Gefühle in Gedichten und ich will die Verbindungen zur Gesellschaft und Umwelt für mich selbst und andere sichtbar und greifbar machen. Die größten Herausforderungen in der Forschung sind die prekären Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft, die es oft erschweren, sich voll und ganz auf ein Forschungsprojekt konzentrieren zu können. Haben Sie Tipps für Studentinnen und junge Forscherinnen, die sich für interdisziplinäre Forschung interessieren? Ich würde Studentinnen und jungen Forscherinnen raten, sich mit Kommiliton*innen und Kolleg*innen aus anderen Fachbereichen zu vernetzen. Besonders hilfreich sind Lese- und Schreibgruppen, die sich regelmäßig treffen und in denen der Perspektivenaustauch im Vordergrund steht. Während meiner Promotion war kaum etwas hilfreicher als der Austausch mit Kolleg*innen und Freund*innen, deren Arbeit kaum (oder gar keine) Berührungspunkte mit meiner eigenen Forschung hatte. Man bekommt nicht nur eigene blinde Flecken aufgezeigt, sondern baut auch ein Netzwerk von verschiedensten Ideen auf, welche diese Flecken ausfüllen können. Was erhoffen Sie sich durch Ihre Teilnahme am interdisziplinären Forschungsverbund TRANSMARE? Ich erhoffe mir vor allem, von den Mitgliedern des Forschungsverbunds zu lernen und meinen Horizont zu erweitern. Ich denke, es ist unglaublich wichtig, offen für andere Perspektiven zu sein und diese in die eigene Forschung einzubeziehen. Auch erhoffe ich mir eine langfristige Zusammenarbeit, die über das Stipendium hinausgeht, um zu zeigen, wie wichtig interdisziplinäre Arbeit in der heutigen Welt ist. Forschungsfragen werden immer komplexer und die maritime Forschung des Forschungsverbunds zeigt auf, wie wichtig die Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen ist, um diese Komplexitäten zu erörtern. Was verbinden Sie mit dem Meer? Heimat. Ich bin in Schleswig-Holstein aufgewachsen und habe mein ganzes Leben im Land zwischen den Meeren verbracht. Auch als ich den USA gelebt habe, war ich in San Diego nie weit vom Meer entfernt. Obwohl ich auch großen Respekt vor der Naturgewalt des Meeres habe, sehe ich das Meer, egal ob Nord- und Ostsee oder den Pazifik, als Ruhepol und Ursprungsort.